Seit einigen Tagen geistern in den Medien Meldungen herum, Putin habe endlich eingestanden, die Krim annektiert zu haben (Vgl. sueddeutsche.de 12.3.2015). Nur: Bereits vor einem Jahr waren ähnliche Informationen in der Presse zu finden (Vgl. spiegel.de 24.5.2014), Putin hat nie eine Annexion geleugnet. (Allerdings hat er meines Wissens selber nie das Wort „Aннексия“, d. h. Annexion, verwendet. Man findet statt dessen das Wort „Присоединение“, ausgesprochen „prisojedinenije“, und das kann vieles bedeuten, z. B. Angliederung, Aufnahme, Hinzufügung, auch Wiedervereinigung. Wenn man bösartig ist und/oder einen Kriegsgrund braucht, kann man es auch als „Annexion“ übersetzen.)
Und da sich jetzt wieder einige an die bekannte Tatsache erinnern, dass ungekennzeichnete (wohl russische) Soldaten sich auf der Krim befunden haben, muss es wohl doch eine Annexion gewesen sein, oder? Oder auch nicht. Leider werden andere Fakten übersehen. Putin gilt unter seinen Gegnern als Lügner und Selbstdarsteller. Und da seine hohen Zustimmungswerte von fast 90% bei der Bevölkerung in großen Ausmaß von seiner Krim-Politik abhängen, muss Putin daran interessiert sein, sich diese Beliebtheit zu sichern, indem er sich als den Aggressor darstellt, der ihm diese Werte sichert. Frage: Werden Putin-Gegner zu Putin-Gläubigen, sobald es ihnen in den Kram passt?
Ich befinde mich in der seltsamen Lage, als „Putin-Versteher“ zu gelten, weil ich seit Monaten einen Politiker verteidige, den ich nie gemocht habe und den ich ablehne, weil ich ihn für einen Lügner und Selbstdarsteller mit diktatorischen Neigungen halte. Aber solange niemand nachweisen kann, dass die Abgeordneten der Krim mit der Kalaschnikow vor dem Kopf das Referendum für den 16.3.2014 anzuordnen gezwungen waren, und solange es keine Indizien dafür gibt, dass das Referendum gefälscht war, war die Abspaltung der Krim eine Sezession und keine Annexion.
Und falls jetzt wieder einer von den Nato-Verstehern der Meinung sein sollte, die Volksabstimmung sei völkerrechtswidrig gewesen: seit wann ist Selbstbestimmung völkerrechtswidrig und – seit wann interessiert sich die Nato für das Völkerrecht?