Josefologischer Nachtrag zur Weihnachtsgeschichte.
(Erschienen in Konkret, Dez. 2015)
Unter den zahlreichen merkwürdigen Gestalten, die den katholischen Himmel bevölkern, jauchzend, frohlockend und die Heilige Trojka preisend, ist der heilige Josef eine der merkwürdigsten. Bis zum 9. Jahrhundert führte Josef ein Kümmerdasein als Hinterbänkler im Paradiese. Vermutlich als Folge seiner zwielichtigen Rolle bei der Zeugung und Vaterschaft des Erlösers war sein Image stark beschädigt. Wohl durfte er frohlocken und preisen, aber sein Sohn redete kaum noch mit ihm, das kleine Wörtchen Vater vermied er gänzlich, und seine Braut hatte als Himmelskönigin anderes zu tun, als sich mit Josef abzugeben.
Aus unerklärlichen, mysteriösen Gründen ändert sich seine Situation. Dieser seltsame Heilige wird plötzlich mit Patronatsaufgaben überhäuft: Er wird Patron der Sterbenden (obwohl von seinem eigenen Sterben und Tod die Bibel nichts zu berichten weiß), er ist Patron der Arbeiter (obwohl er Hochadeliger ist, er entstammt dem davidischen Königsgeschlecht), er ist Patron der Tischler und Zimmerleute (obwohl er selbst kein Tischler war und sein angeblicher Beruf als Zimmermann auf einer Fehlübersetzung beruht). Außerdem ist Josef, der Keuschheit gelobt hat, Patron für Eheleute, die nach Führerbefehl fruchtbar sein und sich mehren sollen. (Den Bauern scheint er ebenfalls Fruchtbarkeit zu assoziieren, wie aus verschiedenen Bauernregeln zum Josefstag ersichtlich wird: Josef klar, gibt ein gutes Honigjahr. / Ein schöner Josefstag bringt ein gutes Jahr. / Ist’s am Josefi-Tag klar, folgt ein fruchtbares Jahr.) Josef wurde 1679 Schutzpatron der Spanischen Niederlande (hat nicht viel genützt) und ist noch immer Schutzpatron von Belgien und Kroatien. (Den Kroaten hat Josef jedenfalls geholfen, Jugoslawien vom Kroaten Tito zu befreien.)
Und seine Bedeutung steigt und steigt. Im 20. Jahrhundert wurden dem heiligen Josef mehr katholische Kirchen geweiht als irgendeinem anderen Heiligen (die Gottesmutter natürlich ausgenommen). Pius IX. erhebt Josef sogar 1870 zum Schutzpatron der gesamten katholischen Kirche. Er hat da zwar nicht viel zu tun, mehr als eine Art Ehrenvorsitzender ist er nicht, das Sagen hat weiterhin der Stellvertreter. aber immerhin…
Unter dem übernächsten Pius kommt es zu einem weiteren Karrieresprung: Pius XI. verleiht Josef ein Patronat, das einen knallharten Macher mit pragmatischen Fähigkeiten verlangt. Josef wird zum Patron des Antikommunismus ernannt. Das war 1937, da hat schon ein anderer Patron begonnen, mit den Kommunisten dermaßen aufzuräumen, dass die Alleinseligmachende zu fürchten begann, dabei ins Hintertreffen zu geraten.
(Noch im gleichen Jahr wird Josef vor das Trinitätskonklave geladen. Jesus fürchtet, dass sein Anti-Mammon-Projekt bedroht sei. Gottvater, der dieses Projekt nur geduldet, aber nie gebilligt hat, stellt sich hinter Josef. Als der Heilige Geist entscheiden soll, fliegt er wie ein Täubchen von einem zum anderen und kann sich wieder mal nicht festlegen.)
Josef durfte also Antikommunismus-Beauftragter bleiben. Er und die Stellvertreter auf Erden taten und tun ihr Bestes, um die Welt besser und liberaler zu machen. (Da hakt natürlich jetzt der kundige Laie ein: Der Liberalismus sei nach dem katholischen Syllabus von 1864, von Pius IX. formuliert, eine Irrlehre, die von der katholischen Trinität nie unterstützt würde. Richtig, aber auch falsch! Taktische Bündnisse sind für die Katholische durchaus zulässig, wenn ein kleineres Böses ein größeres Böses zu beseitigen hilft. Ist sie inzwischen nicht auch mit der Demokratie gut Freund? Na ja, flüchtige Bekannte zumindest!)
Ab dem 1. Mai 1955 wird Josef von Pius XII. zum Patron der Arbeiter ernannt. Pius XI. hatte 1933 bei den Konkordatsverhandlungen mit Hitler zwar durchsetzen können, dass Geistliche den gleichen Schutz des Staates erhalten wie Staatsbeamte (Artikel 5) und der Missbrauch geistlicher Kleidung ebenso bestraft wird wie der Missbrauch militärischer Uniformen (Artikel 10). Aber erst sein Nachfolger sollte merken, dass Hitler (der ein dialektisches Verhältnis zur Arbeiterschaft hatte) ihnen alle Rechte und Organisationen nahm und ihnen dafür einen Feiertag schenkte, der ihn nichts kostete. Mit einem Billiggeschenk konnte auch Pius XI. dienen: Die Arbeiter bekamen den heiligen Josef als Patron, sein Festtag wurde der 1. Mai. (Die Lohnfortzahlung hat Hitler geregelt.)
Da Josef bereits als Bräutigam der Gottesmutter am 19. März einen Festtag besaß, war er von nun an einer der wenigen Heiligen, die zwei Gedenktage bekommen haben. Nur Johannes der Täufer und Petrus können mit zwei Festtagen prunken. Damit ist Josef zur Elite des Paradieses aufgestiegen.
Und jetzt stellen sich natürlich verschiedene Fragen:
Wie ist dieser Aufstieg zu erklären? Woher diese zahlreichen Ehrungen? Was hat Josef in seinem irdischen Leben geleistet, um diese Prominenz zu erlangen? Überhaupt erst mal die Grundfrage: Wie ist Josef eigentlich Heiliger geworden?
Wir wissen, dass als Voraussetzung für die Heiligsprechung zwei Wunder geleistet sein müssen. Natürlich nicht so monströse Wunder, wie sie in Märchen berichtet werden (z.B. „Stelle mir, Fischlein, einen Palast hin!“ Und Zack! Schon steht er da, der Palast.). Da genügen durchaus feine kleine, wie das, wo eine Nonne zum Papst betet, dass er sie gesund mache, und Zack! die Krankheit verschwindet. (Oder umgekehrt, wo der Papst hustet und Zack! die Nonne wird krank.) Josef hat in seinem Leben nichts dergleichen getan. Weder ein großes, noch ein kleines Wunder sind in seinem Lebenslauf verzeichnet. Genauer gesagt: Er hat überhaupt keinen Lebenslauf. In der Heilige Schrift steht über Josef nichts (in Worten: nichts), man weiß, dass er von Beruf ein Tekton war, was falsch mit Zimmermann übersetzt wird, weil es eh wurscht ist. Im Neuen Testament darf er nicht ein einziges Wort sprechen, er stirbt auch nicht, sondern verschwindet einfach durch Nichtmehrerwähnung. (He, ist das vielleicht das unterschlagene Wunder?) Und er war auch kein Märtyrer, die ja ohne Wunder auf dem kurzen Dienstweg ins Paradies gelangen.
Zu dem Thema gibt es Tausende von josefologischen Untersuchungen, die alle beim gleichen traurigen Dilemma mit optimistischem Fazit landen: Woher soll man was wissen, wo man nichts wissen kann, – aber ein großer Mann war er schon. (Josefologie ist nach Kathpedia die theologische Erforschung des heiligen Josef.)
Ein einziges kümmerliches Faktum der offiziellen Legende besagt, dass Josef der Bräutigam Marias war, als Jesus geboren wurde. Er war Bräutigam und nicht Ehemann! (Jetzt höre ich wieder den kundigen Laien murren, der darauf hinweist, dass nach katholischem Arbeitsrecht Maria nicht das Recht gehabt hätte in einem katholischen Kindergarten, also einem Tendenzbetrieb, zu arbeiten, da sie in wilder Ehe lebte. Richtig, aber auch falsch! Die Frage erledigt sich von selbst, da es damals keine Kindergärten gegeben hat. Und wenn der kundige Laie weiter fragt, warum die katholische Kirche dieses legendäre Faktum verschweigt: die Kirche muss schließlich Rücksicht nehmen auf die religiösen Gefühle ihrer Gläubigen.)
Bräutigam zu sein ist leider noch keine Leistung. Josef gelobte, während seiner Verlobungszeit keusch zu bleiben. Das ist auch keine Leistung. (Der kundige Laie wird jetzt langsam lästig: Ja, Josef hat Maria vor der Steinigung bewahrt! Ja, eine ungetreue Verlobte wurde nach Deuteronomium Kap.22, Vers 22 gesteinigt! Nein, das gilt nicht für Maria!!) Als seine Verlobte schwanger wird, will Josef sich von ihr trennen, aber ein Engel im Traum teilt ihm mit, dass die Schwängerung durch den Heiligen Geist, also Gottvater, geschehen sei. Und jetzt passobacht! Josef glaubt dem Engel im Traum! Ja! Er bleibt bei Maria! Ist das eine Leistung oder nicht? Natürlich ist es das! „Die Welt“, das Fachblatt für Vernunftwidrigkeit, weiß um die Bedeutung dieser Leistung und formuliert am 22. 12. 2012 die Millenniumsfrage: „Wer von uns heutigen Männern würde in vergleichbarer Lage seiner Verlobten die Versicherung abnehmen, ihr Kind sei göttlicher Herkunft?“
Die Fakten vortäuschende offizielle Legende der Heiligen Schrift befasst sich nicht weiter mit dem Problem. Etwas verwunderlich ist nur, dass Matthäus Josef einen Stammbaum bis David andichtet. Das hat ja wohl nur einen Zweck: Jesus zum Nachkommen von König David zu erhöhen. Allerdings wäre das nur dann der Fall, wenn Josef als der wahre Vater Jesu gälte. Dem fachkundigen Theologen tut sich damit ein weiteres Geheimnis auf und dem tumben Gläubigen die glasklare Erkenntnis: Irgendwie wird wohl vielleicht doch was gewesen sein.
Die inoffiziellen, also nicht kanonisierten Legenden streben nach höherem Wissen und größerer Klarheit. Wie war das mit Josefs Keuschheit? Vielleicht war er nur unlustig oder impotent? Die koptische „Geschichte Josephs“ aus dem 4. Jahrhundert macht es sich einfach. Sie geht davon aus, Josef sei bei seiner Verlobung 90 und Maria 12 Jahre alt gewesen seien. Eine elegante Lösung! Da ist die Keuschheit zwar verständlich, aber ein anderes Problem tut sich auf. Auch wenn Josef nur spielen wollte, kommt man nicht umhin, hier einen Fall von verbotenem Kindsmissbrauch zu sehen. (Der kundige Laie mischt sich wieder ein: Das sei früher zulässig und normal gewesen! Auch Mohammed hatte in hohem Alter eine Lieblingsfrau in diesem Alter. Wieder richtig, aber auch falsch! Das Wort Gottes kann nicht nur für eine begrenzte Zeit gültig sein, Punkt!) Kardinal Meisner löst das Problem am 2. 1. 2014 : „Wir wissen, dass Mädchen im orientalischen Kulturkreis schon früh verheiratet wurden – und oft auch heute noch werden -, so dass ein Hochzeitsalter von etwa 14 Jahren als durchaus realistisch erscheint.“ Keine zwölf, alles okay, es war zulässiger Kindsgebrauch.
Vielleicht also doch Impotenz? In der Heiligensammlung „Legenda aurea“ von Jakob von Vorago aus dem 13. Jahrhundert wird ein höchst seltsame Geschichte über die Verbindung Marias mit Josef berichtet, die das Geheimnis um eine weitere Variante bereichert. (Bezugsquelle: das apokryphe Jakobusevangelium.) Der Herr verlangt im Tempel mit vernehmlicher Stimme, dass die Bewerber um Maria sich durch eine blühende „Rute“ ausweisen sollten. Der Bewerber Josef weigert sich zunächst seine „Rute“ zu zeigen, wird aber dazu von Gott gezwungen und siehe da: seine „Rute“ ist die einzige, die eine Blüte aufweist, zudem setzt sich eine Taube auf die Spitze der „Rute“. (Die Weigerung Josefs steht im Widerspruch zum Jakobusevangelium, wo Josef bei der Wahrnehmung des Auftrags sein Beil fallen lässt und stracks zum Tempel rennt, also stark motiviert scheint.)
Natürlich muss Josef sich nun mit Maria verbinden. Soweit die „Goldene Legende“. Dass Josef nicht irgendeine, sondern seine „Rute“ vorzuführen hatte, ist zunächst verblüffend. Allerdings nicht für die Kenner des Freudschen Symbolbegriffs. Als „Entbergung des als verboten Verborgenen“ macht das Symbol ihnen deutlich, dass Josefs stramme „Rute“ Voraussetzung für eine Vermählung mit Maria sei. Das versteht man eigentlich auch ohne Freud. Aber wozu braucht er eine solche, wenn Maria eh vom Herrn geschwängert wird und sie eine „semper virgo“ zu bleiben habe? Und ein Theologe aus St. Pölten Josef als „pater virgo“ bezeichnet? Ein weiteres Geheimnis? Ein Gebrabbel? Beides? Oder nur die übliche Theologie? Dieses Problem kann nur ein sehr sehr guter Josefologe klären. Oder ich. Aber ich mag nicht mehr.
Anmerkungen:
- Syllabus errorum ist ein Verzeichnis von 80 Irrtümern, Irrsätzen und Irrlehren, aufgestellt 1864 vom irren Pius IX. und gültig bis heute. Verdammt sind Liberalismus, Sozialismus und Kommunismus, weshalb sich Hitler des vatikanischen Schulterklopfens kaum erwehren konnte. (Rassismus und extremer Nationalismus waren vom Schulterklopfen ausgenommen, nicht aber die Hitleroiden Europas wie General Franco in Spanien, Benito Mussolini in Italien, Ante Pavelic in Kroatien, Andrej Hlinka in der Slowakei, Miklos Horthy in Ungarn.) 1937 wurde auch der Totalitarismus in den Syllabus aufgenommen, wodurch von nun an alle nichtkatholischen Totalitarismen verdammt waren.
2.Josefologie ist ein Begriff der katholischen Theologie (vgl. Mariologie, Christologie). Vor dieser Art Realsatire erblasst voller Neid die Echtsatire.
3.Semper virgo ist eine „immerwährende Jungfrau“, nicht im Neuen Testament zu finden. Die Theologen (sc. Mariologen) sind in ihrem Bestreben, ein Wunder mit Sexualfeindlichkeit zu kombinieren, gründlich in den Unterleib Marias eingedrungen. Ihr Jungfernhäutchen bleibt bei der göttlichen Schwängerung unversehrt, Jesus wird „utero clauso“ (Luther: geschlossenen Leibes) geboren, man weiß, er kann auch später verschlossene Räume verlassen. Anscheinend hatten auch die Geschwister Jesu diese Fähigkeit, denn Maria blieb ja semper eine Jungfrau.
4.Pater virgo bedeutet „jungfräulicher Vater“. Ein weiteres köstliches Beispiel für katholischen Humor! Dank nach St. Pölten!
Autorenzeile:
Peter Krupka hat im Studium sich zwei Semester bei den Theologen herumgerieben. Das hat gereicht. Unter mehreren bedeutenden theologischen Werken, die er nicht geschrieben hat, ragen heraus:“Hat das Buch Hiob ein Atheist verfasst?“ und „War Jesus ein Schelm? Vom Wesen und Unwesen christlichen Humors.“