
Jörg Kronauer ist ein urteilsfähiger Kenner der Weltpolitik, den ich in Konkret monatlich mit Gewinn lese. Leider steht im Januarbeitrag über Mugabe folgender Satz: „..das Gewaltpotential, das ein Konflikt zwischen unterschiedlichen Sprachgruppen enthält, kennt man auch im modernen Europa, etwa aus dem Jugoslawien-Kriegen der neunziger Jahre.“ Die Grenzen der feindlichen Gruppen (Ethnien?) im ehemaligen Jugoslawien sind nicht sprachlich, sie sind religiös definiert. Die Serben und Kroaten reden dieselbe Sprache, die sich je nach Region entweder Serbokroatisch oder Kroatoserbisch nennt.
Weder existiert eine serbische, noch eine kroatische Sprache, und die Unterschiede lassen sich allenfalls als Dialekteigenheiten klassifizieren. (Sie sind durchaus unbedeutend.) Die Bosnier, die passiv und aktiv an den Massakern zwischen Serben und Kroaten beteiligt waren, reden dieselbe Sprache. Was die drei Ethnien unterscheidet, ist die jeweilige Religion: Die Kroaten sind katholisch, die Serben griechisch-orthodox, die Bosnier sind Muslime. Da die Serben eine eigentümliche Schrift haben, die, wie die russische Kyrilliza von der griechischen abgeleitet ist, könnte der Anschein entstehen, die Serben hätten eine eigene Sprache, etwa wie die Slowenen, die Albaner und die Makedonen. Auch in Montenegro wird Serbokroatisch gesprochen, heute im Rahmen der nationalen Selbstvergewisserung offiziell: Montenegrinisch.
Ähnliches findet sich auch anderswo im ehemals national indifferenten Jugoslawien: Der als Diktator bezeichnete Regierungschef des angeblich serbisch dominierten Jugoslawiens Tito war – Kroate. Der als Großserbienverkünder und Albanerschlächter vor Gericht gestellte Regierungschef Serbiens Milosevic war – Montenegriner. Heute ist Ordnung eingekehrt. In Serbien wird offiziell Serbisch geredet und in Kroatien Kroatisch. Da hat wohl die religiöse Krücke dem nationalen Tritt den ersten Schwung gegeben.
(Leserbrief an Konkret, nicht veröffentlicht)